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Josef W.

DENTA_Ulm_Host Buchmann _Foto Josef W.

von Horst B.

 

 

Interview mit Josef W., Landwirt im Teilort Mettenberg, Biberach

 

Josef W. wurde 1957 geboren. Der Landwirtschaftsmeister hat vor zwei Jahren seinen über zweihundert Jahre alten Hof an seine Söhne David und Philipp übergeben. Er hilft immer noch auf dem Mischbetrieb (Kühe, Schweine, Feldfrüchte, Wiesen, Streuobstwiesen) mit. Entscheidungen über die weitere Entwicklung des Hofs treffen aber seine Söhne, von denen einer für die Viehwirtschaft, der andere für die Felderwirtschaft zuständig ist. Seit 1989 betreibt die Familie ökologischen Landbau und 1990 trat sie der Vertriebsgemeinschaft Bioland bei.
Josef W. hilft seiner Frau Paula im Biohofladen, er kümmert sich um die Nachzucht, die Schweine und den Gemüseacker. Politisch ist er bei den Grünen aktiv und sitzt für sie im Ortschaftsrat Mettenberg, im Stadtrat Biberach und im Kreistag des Landkreises Biberach. Er spielt außerdem im Musikverein Mettenberg mit. Josef Weber hat drei Söhne, zwei Töchter und neun Enkel.


Herr W., was haben Sie heute morgen schon gemacht?
Ich stand um viertel vor sechs auf, habe Kaffee getrunken, Zeitung in Papierformat gelesen. Wenn ich mit Melken dran bin, lese ich danach die Zeitung. Heute habe ich nach dem Lesen die Schweine, Rinder und Hühner gemacht. Danach half ich auf der Baustelle, deshalb frühstücke ich heute später.
Ich bin nach wie vor noch voll jeden Tag mit dem Hof beschäftigt, obwohl meine Frau und ich den Hof schon vor zwei Jahren abgegeben haben. Dies geschah wegen eines Todesfalls in der Familie der Frau. Vorher haben wir drei Höfe zusammen mit dem Sohn und dem Bruder meiner Frau in einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) bewirtschaftet. Den elterlichen Betrieb hier in Mettenberg, einen Pachtbetrieb der Stiftung St. Elisabeth in Heggbach und einen Betrieb in Eichen. Es stellte sich die Frage, ob wir gleich auf-hören sollten, denn der zweite Sohn war auch in die Landwirtschaft eingestiegen. Wir entschieden uns für die komplette Übergabe des Betriebs. Wir haben noch das Wohnrecht und ein Auto, den Hofladen betreibt die Frau und ich eine Photovoltaikanlage und Biogasanlage. Deshalb gibt es keine finanziellen Sorgen und wohl auch in der Zukunft nicht. Die Rente ab 65 in der Landwirtschaft ist minimal und davon könnte man nicht leben. Allerdings kommt eine Rente vom bestehenden Hof dazu und deshalb brauchen wir uns finanziell keine Sorgen machen.

 

„Was haben Sie heute noch vor?“
Ich werde noch auf die Baustelle gehen und mithelfen, denn ich bin für das Bauliche zuständig, einer der Söhne für die Viehhaltung, der andere für den Ackerbau. Ich helfe auch im Hofladen mit. Dass wir den Hof als Familie betreiben ist als zentrales Element des Hofes anzusehen. Obwohl ich nicht mehr verantwortlich bin und nicht mehr unterschreiben muss, bin ich noch voll dabei und kann helfen.

 

„Kommen Ihre Kinder auf Sie zu als Ratgeber oder wollen Sie selber die Entscheidungen treffen?“
Die Entscheidungen werden und wurden bisher einvernehmlich getroffen, auch wenn man viel miteinander reden muss. Dies und die Besprechung weiterer Probleme geschieht alle vierzehn Tage. Da jeder Sohn eine Familie hat, muss man mit Reibereien rechnen und wir haben uns schon von außen Hilfe geholt. Dieses Coaching hat geholfen, über den Tellerrand hinauszuschauen und danach konnte man zufrieden auseinander gehen. Der Wunsch nach dieser Form des Coachings ging von allen dreien aus, mehr von meinen Söhnen als von mir. Es wäre schade, wenn die Gemeinschaft in die Brüche ginge, deshalb muss man die-se Form auch nützen.

 

„Wie ging es Ihnen mit ihren Eltern, als Sie den Hof übernommen haben?“
Der Vater hat spät geheiratet, deshalb war er 65, als er den Hof mir als noch jungen Sohn übergeben hat. Auch wir haben zusammengearbeitet und in diese Zeit fiel die Entscheidung, den Hof im Jahr 1989 auf ökologische Landwirtschaft umzustellen. Allerdings war dies nicht einfach für meine Eltern. Die Industrie hatte damals großen Einfluss auf die Bewirtschaftung mit Düngemitteln, chemischen Pflanzenschutz und im Tierbereich, was für meine Eltern eine Erleichterung bedeutete, denn sie mussten vorher viel von Hand schwer arbeiten. Meinem Vater fiel es aber nicht schwer, den Hof zu übergeben, denn sein Vater war schon 80, als er ihm den Hof übergab, kurz vor seinem Tode. Er hatte furchtbar darunter gelitten und deshalb schwor er sich, dies passiere ihm nicht. Dies habe ich mitbekommen und mir gesagt, dass es mir auch nicht passieren würde. Oft sind dann die Frauen die Leidtragenden, denn meine Mutter hat auch darunter gelitten, weil Frauen kein eigenes Einkommen  hatten.

 

„Kam Ihre Frau auch aus der Landwirtschaft?“
Ja, allerdings wollte sie nie was mit der Landwirtschaft zu tun haben und lernte Krankenschwester im Elisabethen Krankenhaus in Ravensburg. Wir lernten uns bei einem Ball der Landjugend kennen und sie kannte meine Geschwister von der Realschule in Biberach her und so kam man ins Gespräch.

 

„Nutzen Sie außer der Zeitung sonst noch Medien, um sich zu informieren?“
Die Tageszeitung ist ein Teil. Ich informiere mich über die Internetseiten anderer Leute und schreibe Emails. Wir haben sowohl eine Internetseite vom Hof und privat. Dies deshalb, weil ich einmal für den Landtag kandidierte und deshalb eine Webseite nötig war. Der Computer ist selbstverständlich und benutze ihn praktisch täglich. Smartphone habe ich auch, um Bilder zu machen und um erreichbar zu sein. Man kommt nicht mehr ohne aus. Wir müssen mehrere Male am Tag miteinander telefonieren und dies wäre anders nicht möglich.

 

„Wie schätzen Sie als Grüner die gegenwärtige Entwicklung in der Politik bezüglich der Vorkommnisse in Thüringen ein, als auch in der Landwirtschaft allgemein?“
Für mich ist das Arbeiten und Leben eins, es gehört zusammen. Dazu gehört der Umgang mit der Natur, aber auch der soziale Aspekt und der Umgang miteinander und mit den Nutztieren. Schon während der Kolonialisierung hat man sich zum eigenen Nutzen von anderen etwas genommen und dies läuft heute noch so mit dem Raubbau in der Welt. Dies führt durch die Ausbeutung zu Katastrophen in diesen Ländern. Durch den technologischen Fortschritt erkennen sie dies und es führt deshalb zu riesenhaften Problemen wie das Fuss fassen der Rechten wie in Thüringen. Sie schüren die Angst vor den Leuten, die nicht aus unserem christlichen Kulturkreis kommen. Dies ist die Konsequenz unseres eigenen Verhaltens und es gäbe die Möglichkeit dies zu ändern und diesen Ländern zu helfen. Dem ist aber leider nicht so. Die Rechte nützt dies aus. Es entstehen dadurch schlimme Feindschaften. Ich kämpfe deshalb dafür, dass die ökologischen und sozialen Aspekte wieder an Gewicht gewinnen.

 

„Wie hat ihr Engagement in der Politik begonnen?“
Mit 22, 23 Jahren war ich schon im Ortschaftsrat in Mettenberg und dies ging von der katholischen Landjugend im Dekanat Biberach aus. Bei uns hieß das damals „Grüner Kreis“ der bäuerlichen Landjugend und hatte noch nichts mit den „Grünen“ heute zu tun. Es war eine tolle Zeit und wir überlegten uns damals schon, wie wir die konventionelle Landwirtschaft so gestalten können, dass wir mit dem Verbraucher fair umgehen und faire Preise machen können. Es ging darum, die Gier in Grenzen zu halten mit dem normalen menschlichen Verstand. Es ist aber leider nicht gelungen.
Wir haben dann geheiratet und auf die ökologische Landwirtschaft umgestellt. Der Ausbau von  Straßen wie die B30 hat im Dorf viel bewegt: Die Flur wurde neu geordnet und es ging viel Fläche verloren durch die Versiegelung. Das hat allen Bauern weh getan. Da sind wir im Dorf richtig politisch geworden und wir wuchsen zu einer großen Gemeinschaft zusammen, die auch heute noch existiert. Wir versuchten zu verhindern, dass wertvoller, gesunder und lebendiger Boden verloren geht, denn er stellt unsere Lebensgrundlage dar. Die ersten Kontakte mit grünen Politikern wie Rezzo Schlauch, Winni Hermann, Elmar Braun und Boris Palmer kamen zustande und ich wurde Mitglied der Partei. (Alle genannten Personen sind Mitglieder der Partei Bündnis 90/Grüne)

 

„Was war damals prägend für die Ausbildung dieser Einstellung?“
Meine Eltern waren nicht politisch tätig, doch mein Opa hat uns Kindern oft Geschichten vom 1. Weltkrieg erzählt, mein Vater dann vom 2. Weltkrieg. Wir wurden da stark beeinflusst. Meine Mutter hatte acht Geschwister, von denen sechs Brüder im Krieg waren. Sie waren und sind eine richtig gute, christliche Familie. Diese Familie war im Widerstand im Dritten Reich. Ein Großonkel von mir hatte 1916 Primiz (Priesterweihe), deshalb die Jahreszahl 1916 in der Haustüre. Er war eine Zeitlang in Dachau (Konzentrationslager bei München im 3.Reich) und hat davon erzählt. Dies hat mich schwer beeindruckt, denn diese Leute haben den Mund aufgemacht und sind deshalb benachteiligt und bestraft worden. Es war eine furchtbare Zeit, die schlimmste Zeit für die ältere Generation und wir wussten, dass so etwas nie wieder kommen darf. Dazu kommt noch die Verantwortung für die Schöpfung in der Landwirtschaft, was noch eine Rolle für die Charakterbildung gespielt hat.

 

„Hat die Schule einen Einfluss darauf gehabt?“
Die Schule nicht, eher die Ausbildung in der Landwirtschaft. Zuerst die Hauptschule und Berufsschule, dann die Fachschule und die Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister und der Besuch vieler Kurse des Bauernverbandes, obwohl ich diesem sehr kritisch gegenüber stehe. So habe ich aber eine gute Streitkultur gelernt, zusammen mit Wolfgang Reimer (Agraringenieur, Mitglied vom Bündnis 90/Die Grünen, Regierungspräsident in Stuttgart seit 2016), der damals noch nicht bei den „Grünen“ war. Wir gründeten den Arbeitskreis Bäuerliche Landwirtschaft (ABL), der sich bundesweit ausgebreitet hat und wo ich sehr aktiv war. So begann das Ganze.

 

„Können Sie sich da noch an ein besonders wichtiges Ereignis in der Politik erinnern?“
Mit der ABL haben wir uns damals schon Gedanken gemacht wegen der Milchschwemme in der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Vorläufer der EU) und wir veröffentlichten damals Artikel dazu in unserer Zeitschrift „Bauernstimme“. Deswegen kam es zu Begegnungen mit dem damaligen Minister Kiechle (Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten von 1983 - 1993), die ich nie vergessen werde, weil es so toll war. Man traf sich in Berlin bei der Grünen Woche (Messe für Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft, Gartenbau) und um sich mit anderen zu treffen und sich auszutauschen. Die Ge-spräche mit Minister Kiechle waren fruchtbar, doch wir konnten einige Reglementierungen nicht verhindern. Gegner waren wir keine, aber er hat einiges von uns aufgenommen und dies war prägend für mich.

 

„Wie sehen Sie generell die Zukunft der Landwirtschaft?“
Es gibt im Moment immer noch Proteste der Bauern, wegen der Bestimmungen der EU zu den Nitratwerten. In den Großbetrieben wird immer noch zu viel Gülle produziert. Es wird noch zu viel gedüngt, man nimmt keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Böden und man handelt nicht punktuell. Stattdessen wird die Landwirtschaft gleich behandelt und passiert ist fast nichts, außer dass die Auflagen größer wurden. Wir müssen an die uns folgenden Generationen denken und wir dürfen kein Sojaschrot verfüttern und die Tiere mästen. Es wird von zweimal so viel Ackerbaufläche, die wir in Deutschland haben, Futtermittel importiert, das ist ein Unding! Deshalb kämpfe ich für die Ausweitung des ökologischen Landbaus. Nur so werden wir die weltweite Ernährung sicherstellen können. Die konventionelle Landwirtschaft mit dem hohen Düngeeinsatz ist viel zu teuer, das kann sich sonst niemand leisten, außer uns westlich geprägten Industriebauern.
Wir auf Kreisebene haben es letztes Jahr geschafft, unsere Region als Musterregion für den ökologischen Landbau auszuweisen. Dort findet eine tolle Arbeit statt. Wir sprechen mit Bäckern, Müllern, wir haben eine Brauerei an der Hand und jetzt geht es an die Kantinen für die Nahversorgung, um alles regional und öko-logisch auszurichten. Wir hoffen, dass dies Auswirkungen auf andere Landwirte hat. Mein Freund Roland Roth hat schon vor dreißig Jahren gesagt, es sei fünf vor zwölf. Heute sagt er, es sei kurz vor eins. Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf.

 

„Bleibt da überhaupt noch Zeit für private Pläne und Unternehmungen?“
Fast nicht, da wir so stark eingespannt sind. Wir fahren ab und zu ein paar Tage weg, ich will es aber auch nicht. Kreuzfahrten brauche ich keine. Ich möchte nicht jammern deswegen. Es tut uns gut, wenn wir mal wieder andere Regionen sehen können wie Österreich, die Slowakei, die Ostsee.
Zum Ausgleich und um nicht immer denken zu müssen spiele ich die Tuba in der Musikkapelle. Dort gibt der Dirigent den Takt vor und ich kann zwei Stunden total abschalten. Wir haben schon oft musikalische Reisen gemacht mit Leuten, die anders denken als wir und das tut gut.

 

„Haben Sie sich schon Gedanken über den Tod gemacht?“
Auf jeden Fall! Wir lernten dies von unseren Eltern, denn die nahmen uns immer mit in die Häuser verstorbener Nachbarn, Freunde. Ich kann mindestens zwanzig Häuser aufzählen, wo wir als Kinder mit in der Stube waren, wo die Verstorbenen aufgebahrt waren. Man lernte dabei, dass der Tod zum Leben gehört. Eine Schwester starb in der zwölften Klasse an Krebs und dies prägt einen für ein Leben lang. Deshalb versucht man das Beste aus dem Leben zu machen, denn nachher ist es vorbei. Unsere Eltern konnten im Kreis der Kinder und Enkel zuhause sterben. Dies war ein großes Glück. Dies versuchen wir weiterzugeben.

 

„Haben Sie schon vorgesorgt mit Testament oder ähnlichem?“
Nein, überhaupt nicht. Aber vielleicht sollten wir uns mal darum kümmern, wie man bestattet werden will, was mein letzter Wunsch sein soll. Ich kann darüber aber lachen. Mit der Hofübergabe sind die Kinder versorgt und sind auf einem guten Weg.

 

„Wenn sie Gott am Schluss treffen würden, was würden Sie ihm sagen?“
Da wir christlich aufgewachsen und katholisch geprägt sind, hoffen wir, dass wir so in Verbindung kommen. Ich würde sagen, dass du ja alles in der Hand hast und dich ein bisschen zügeln könntest, damit die Menschen besser miteinander auskommen. Dass sie vernünftiger leben, um in der Welt nicht bitteres Leid erfahren zu müssen. Da würde ich sagen: „Heimat nei, komm, streng dich a bissle an, du hättest es in der Hand.“